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"Dem Burgring auf der Spur"

Quelle:  BLZtg  (08. JANUAR 2025)  ;   Autor:  Claus Boelen-Theile ,    Fotos: Anton Luhr

2025-01-08



Zum Hintergrund


Der „Burgring“ bei Sürth/Neuenhaus in Kürten, erforscht von den Heimatforschern Hans Reck und Kunibert Förster, ist eine beeindruckende Ringwallanlage aus dem 9. und 10. Jahrhundert, möglicherweise errichtet zur Zeit Karls des Großen. Mit hohem Aufwand erbaut, diente die Anlage als Schutzort für Siedler bei Gefahr. Grabungen förderten Bruchsteine, Keramikscherben und Holzkohle zutage, die mithilfe der Radiokarbonmethode Bauzeiten zwischen 600 und 1115 belegen.


Die Anlage bot Schutz für einige Dutzend Menschen und deren Vieh. In der Nähe gab es Wasser und Wild. Reck und Förster vermuten, dass mögliche Kleinsiedlungen entlang des Heerwegs höher gelegen waren. Spätere Funde belegen eine Nutzung des Walls bis ins Spätmittelalter.


Neben dem „Burgring“ gibt es in Kürten weitere Ringwälle, darunter den „Burgberg“ und die „Wungenburg“. Grabungen am „Burgberg“ im Jahr 1935 lieferten Keramikfunde, doch die Radiokarbon-Methode war damals noch nicht verfügbar.


Dank des Engagements von Reck und Förster bleiben diese Anlagen ein faszinierendes Relikt früherer Siedlungs- und Verteidigungsstrategien im Bergischen Land (siehe auch Bericht zur Wallanlage Burgring ).



Der Zeitungsbericht

Autor:  Claus Boelen-Theile , Fotos: Anton Luhr


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Kürten. Das feuchte Laub schmatzt unter den Schuhsohlen. Es ist nass in diesen Tagen im bergischen Wald. Bergauf geht es, immer weiter. Der Spazierweg windet sich die Höhe hinauf. Zwei Kilometer hinter Kürten heißt die Ortslage Eulensiefen. Es gibt sogar eine Bushaltestelle im Nirgendwo. Unten rauschen die Autos auf der Wipperfürther Straße schnell vorbei. Früher, vor rund 1000 Jahren, zogen Händler, Soldaten und Bauern anderswo vorbei – über die Höhe, den Heerweg, heute die Bundesstraße 506 in Richtung Wipperfürth und Köln.


„Hier ist es“, sagt Kunibert Förster plötzlich und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf eine Art „Höhenzug“. Steil führt der Weg weiter. Deutlich ist ein Plateau erkennbar, und dahinter wartet noch eine Überraschung: eine kleine Wiese. „Die Menschen konnten sich hier sehr gut in Sicherheit bringen. Niemand würde vermuten, dass es hinter dem Wall ein Versteck geben könnte“, sagt Hans Reck, ebenfalls engagiert im Geschichtsverein.


Hinter dem vermeintlichen „Höhenzug“ verbirgt sich die Ringwallanlage Sürth/Neuenhaus, der sogenannte „Burgring“ – eines der herausragenden Bodendenkmäler auf Kürtener Gemeindegebiet, mit einem großen Hauptwall und einem kleineren Vorwall. Bekannt dürften diese beiden Relikte aus längst vergangener Zeit allerdings nur den wenigsten Kürtenern sein. Wer in der Landschaft unterwegs ist, erkennt jedoch sofort, dass es hier etwas Besonderes gibt. Die meterhohen Anschüttungen, die sich über nahezu hundert Meter Länge erstrecken, sind von Menschenhand geschaffen. Mit sehr viel Energie wurde hier gebaut.


„Die Menschen haben hier Zuflucht gesucht, wenn Feinde kamen“, sagt Hans Reck. Das sei sicher der Zweck der Anlage gewesen. Und Feinde kamen zu allen Zeiten im Mittelalter vorbei: unlautere Gesellen, Ritter, Spielleute und Gaukler, vagabundierende Germanenhorden, Ausgestoßene und Entrechtete, Quacksalber und Räuberbanden. Siedler, die ohne Schutz waren, drohten ausgeplündert zu werden. Auch Schlimmeres mag man sich in diesen finsteren Zeiten vorstellen, bevor sich Landes- und Grundherrschaften festigten. Urkundliches ist aus dieser Zeit nur wenig überliefert, etwa das „vogelberhc“ des Prümer Klosterurbars von 893, das weit entfernte Volberg bei Rösrath erwähnt.


Untersuchungen und Grabungen am Ringwall wurden durch den Landschaftsverband Rheinland begleitet. Die Fachleute vom Amt für Bodendenkmalpflege gingen mit einem Magnetometer über das Wiesenstück auf der Anhöhe. Sie hofften, Strukturen im Untergrund zu finden – bauliche Überreste, die die Jahrhunderte überdauert haben könnten. Auf einer Fläche von 80 mal 40 Metern untersuchten Messsonden die Anomalien und Unklarheiten. Manches deutet laut den Forschern auf Gruben hin, die es hier in der Tiefe geben könnte, vor dem westlichen Wall. Vielleicht handelt es sich um einen verfüllten Erdkeller tief im Untergrund.


Eindeutige Belege für eine Innenbebauung der Anlage habe es jedoch nicht gegeben, erklärt Förster.


Die beiden Heimatfreunde erkunden weiterhin die Anhöhe. Es geht bergauf, zwischen Geäst und Blattwerk. Die Grabungen des Landschaftsverbands sind mittlerweile wieder verfüllt. Mehrere Grabungsschnitte quer zum Hauptwall wurden vorgenommen. Die Experten gruben bis zu einer Tiefe von 1,80 Meter, die Breite der Grabung betrug zwei Meter. Und tatsächlich stießen die Fachleute dabei auf lose Bruchsteine, die eine durchgängige Trockenmauer am Fuße des Hauptwalls bilden. Auch Keramikscherben, darunter Siegburger Steinzeug, kamen ans Tageslicht. Es war die erste Grabung dieser Art an der Anlage.


Im Inneren des Hauptwalls fanden die Grabenden Rückstände von Holzkohle. Diese sind von großer Bedeutung, da sie mittels der Radiokarbonmethode zur Datierung der gesamten Anlage herangezogen werden können. Die „kalibrierte Datierung“ der Holzkohle ergab Zeiträume von 890 bis 1115 sowie 680 bis 950 als Bauzeit der Wallanlage. Für einen bis dato unerforschten Vorwall ermittelten die Forscher den Zeitraum von 600 bis 775 als „terminus post quem“ – die Anlage wurde also nach diesem Zeitraum errichtet.


Reck und Förster sind überzeugt, dass diese Daten auf eine Bauzeit im 9. und 10. Jahrhundert hindeuten, möglicherweise noch zu Zeiten Karls des Großen, der im Jahr 814 verstarb. Die gefundene Keramik sei jüngeren Datums und stamme aus dem Spätmittelalter oder der Frühen Neuzeit, also aus dem 14. bis 17. Jahrhundert. Dies zeige jedoch, dass der Wall über Jahrhunderte hinweg als Schutz genutzt worden sein könnte.


Über Tage und Wochen harrten die Menschen – Männer, Frauen und Kinder – hier aus, vermutlich zusammen mit ihrem Vieh. Sie mussten Katen oder provisorische Behausungen errichtet haben, um Schlafstätten und Schutz vor dem Wetter zu schaffen. Die Gefahr schien allgegenwärtig...



Wer aber waren die Menschen, die hier siedelten und bei Gefahr Schutz suchten hinter dem sicheren Wall?


Die ersten überlieferten Urkunden aus der Umgebung stammen aus dem Hochmittelalter. Für Rechen steht mit der Erwähnung im Jahr 1225 bald die 800-Jahr-Feier an. Doch die Siedler des „Burgrings“ lebten bereits viel, viel früher an dieser entlegenen Stelle im Bergischen. Während in Köln die Römer siedelten, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Bewohnern um geflüchtete Söldner oder entlaufene Soldaten gehandelt haben könnte. „Das ist im Reich der Spekulation“, meint Förster.


Er steht auf dem Vorwall, von wo aus sich ein weiter Blick ins Tal der Sülz bietet. In der Nähe des Walls gab es Wasser, Wild war sowieso reichlich vorhanden. Förster und Reck vermuten, dass mögliche Kleinsiedlungen höher in Richtung Heerweg gelegen haben könnten, nicht jedoch im Talgrund. Der Wall sei mit enormem Aufwand und Energie errichtet worden, sind sich die Heimatexperten einig. Ein Späher könnte von der Anhöhe aus die Landschaft beobachtet und Warnungen durch Rufe oder andere Signale an die Siedler weitergegeben haben. Mit Kind und Kegel hätten sich die Menschen dann in die Wallanlage zurückgezogen, während die Horden ahnungslos an ihnen vorbeizogen.


Über die Strukturen dieser Siedlung wisse man nichts Genaues, erklären Reck und Förster. Die vom Wall geschützte Wiese sei jedoch groß genug gewesen, um einigen Dutzend Menschen Schutz zu bieten. Heute fällt der Hang zur Straßenseite hin steil ab, doch zur Zeit der Ottonen und Karolinger im Frühmittelalter, so die Überzeugung der Forschenden, habe es hier einen weiteren Wall gegeben haben können.


Dass Siedler aus Köln ins Bergische gekommen seien, ist ebenfalls naheliegend. Auch die spätere Hansestadt Wipperfürth, rund 30 Kilometer entfernt, war ein wichtiger Umschlagplatz für Waren aller Art. Menschen kamen und gingen in großer Zahl. Es ist gut möglich, dass irgendwann auch von dort erste Siedler in diese Region gelangten. Am Lüderich sei zudem römischer Bergbau überliefert, ergänzt Förster.


Wann der Wall oder die vermutete Siedlung aufgegeben wurden, ist nicht bekannt. Über die Jahrhunderte hat sich der Wald das Land zurückerobert. Was geblieben ist, sind die Wälle am „Burgring“.



Ausgrabungen

In der Gemeinde Kürten gibt es neben dem Ringwall „Burgring“ bei Sürth/Neuenhaus noch den Ringwall „Burgberg“ südlich von Unterbörsch und die „Wungenburg“ nordwestlich von Meiswinkel. Sowohl „Burgberg“ als auch „Wungenburg“ sind in Teilen noch sichtbar.


Ausgrabungen am „Burgberg“ fanden im Jahr 1935 statt. Gefundene Keramikscherben deuten darauf hin, dass die Anlage möglicherweise als Produktionsstätte genutzt wurde. Eine genauere Datierung war damals jedoch nicht möglich, da die Radiokarbon-Methode noch nicht entwickelt war.


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