Kunibert Förster
Fassung vom Februar 2021
Das heutige Pfarrhaus steht an der Stelle des ehemaligen Widenhofes (auch Wiedenhof genannt). Das war möglicherweise die Keimzelle des Ortes Dürscheid.
Zumindest gehörte dieser Hof zum Hof Dursen, der seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert im Besitz des Klosters St. Maria im Kapitol in Köln war.
Dursen (auch Dursten, das heutige Dürscheid) war über Jahrhunderte der Verwaltungssitz dieses Klosters für seine zahlreichen Besitzungen im Bergischen.
Die Sitzungen des sogenannten Hofgerichtes, das die Besitzverhältnisse regelte, fanden im heutigen
Dürscheider Hof
statt, einem sehr alten Haus, das nach Meinung mancher Experten ebenfalls der ursprüngliche Hof Dursen sein könnte.
Der Widenhof, d. h. der dem Geistlichen am Ort "gewidmete" Hof, diente dem Pfarrer als Wohnsitz und als zusätzliche Einkommensquelle. Von den damals geringen Gebühren für pastorale Leistungen – für Taufen, Trauungen und Beerdigungen mussten sog. Stolgebühren gezahlt werden (Kirchensteuern gab es noch nicht) – konnten die Geistlichen nicht leben. Dieser Widenhof wurde entweder vom Pfarrer selber bewirtschaftet oder aber verpachtet. In unserm Fall wurde ein Teil des Gebäudes bis zum Ende des 19. Jh. als Pastorat genutzt.
Eine Aufnahme von vor 1895 zeigt ein eher scheunenartiges Gebäude mit der handschriftlichen Kennzeichnung "Pfarrhaus".
Als der damalige Pfarrer Johann Voß 1891 nach Dürscheid kam und als erstes großes Bauprojekt den Neubau der maroden Kirche in Angriff nahm, plante er auch gleich den Neubau eines Pfarrhauses mit ein. Die alte Pastorat bzw. der Widenhof, der anscheinend genauso marode wie die Kirche war – zwischenzeitlich hatte der Pfarrer in der Vikarie gewohnt, wurde abgerissen und an seiner Stelle 1893/95 das neue Gebäude aus Blissenbacher Ziegeln errichtet. In Blissenbach wurde nämlich von1873 bis 1906 die Ziegelei Rausch betrieben. Bei diesem Bauprojekt blieb man im Rahmen der kalkulierten Kosten (es blieb sogar ein kleiner Überschuss), wogegen man beim parallelen Bau der neuen Kirche erheblich mehr Geld als veranschlagt benötigte.
Die nächsten Nachrichten vom Pfarrhaus finden wir in den 1960/70er Jahren. Der damalige Pfarrer Heinrich Pohl, der 1962 nach Dürscheid kam, war ebenfalls ein sehr baufreudiger Mann. Als erstes ließ er das Pfarrhaus renovieren und umbauen. Dann baute er gegenüber dem Pfarrhaus ein neues Küsterhaus (die alte Vikarie genügte schon lange nicht mehr modernen Wohnansprüchen) und ein Jugend- oder Pfarrheim. Ab 1970 ließ er die über die Jahre und durch den Krieg mitgenommene Kirche gründlich restaurieren. Zuletzt ließ er dann den Kindergarten im früheren Pastoratsgarten errichten.
1988 war ein entscheidendes Jahr - nicht für das Bauwerk Pfarrhaus, sondern für die Bewohner. In diesem Jahr wurden die Pfarreien in der Zivilgemeinde Kürten zu einem Pfarrverband zusammengeschlossen. Der leitende Pfarrer hatte nun seinen Sitz in Biesfeld. In das Pfarrhaus zog ein Diakon mit Familie ein. Der bis dahin leitende Pfarrer Heinrich Pohl war kurz vorher in Pension gegangen. Als der Diakon 2005 in eine andere Pfarrei versetzt wurde, folgte ihm ein Gemeindereferent, ebenfalls mit Familie. Diese Situation änderte sich auch nicht, als 2010 der Pfarrverband in die Großpfarrei St. Marien Kürten umgewandelt wurde.
Im Haus ist ferner ein Kontaktbüro der Kirchengemeinde untergebracht.
Peter Opladen: Das Dekanat Wipperfürth, Verlag F. Schmitt, Siegburg 1955.
Heinrich Pohl: Sankt Nikolaus Dürscheid, Libertas Verlag, Wiesbaden 1966.
Kunibert Förster: Dürscheid an der Dursch - Ortsgeschichte kurz gefasst, in: Kürtener Schriften 5, Hrsg.: Geschichtsverein für die Gemeinde Kürten und Umgebung e. V., Kürten 2005.
Geschichtsverein für die Gemeinde Kürten und Umgebung e. V.: Von Wegekreuzen, Mühlen und Dolinen – Kulturhistorische Zeugnisse in der Gemeinde Kürten, Kürten 2009.