Ute Jülich
Fassung vom Februrar 2022
Aus alten Quellen wissen wir, dass die Entstehung von Dürscheid auf die Zeit der Besiedlung des Bergischen Landes im 10./ 11. Jahrhundert zurückgeht. Damals wurden Gebiete vom Landesherrn an Getreue als Lehn vergeben, mit der Verpflichtung das Land urbar zu machen. Dies konnten Adlige oder kirchliche Institutionen sein. An geeigneten Stellen wurde Land gerodet und ein Lehns- oder Herrenhof errichtet, meist mit einer kleinen Kapelle in der Nähe, einer sog. Eigenkirche. Im Laufe der Zeit kamen mehr Höfe hinzu, auf die dann der Name des Lehnshofes überging.
In der 2. Hälfte des 11. Jahrhundert wird ein Lehnshof „Dursen“ oder „Dursten“ erwähnt, der dem Damenstift St. Maria im Kapitol zugehörig ist. In den verschiedenen Quellen kann man verfolgen, wie sich der Name des Ortes im Laufe der Jahrhunderte geändert hat: aus Dursten, Dursen, Durschet, Durß, Durschedt, wurde im 19. Jahrhundert Dürscheid.
1363
wird zum ersten Mal in einer Urkunde ein Hofesgericht in „Dursen“ erwähnt, was bedeutet, dass sich hier der organisatorische Mittelpunkt für alle Hofesleute befand, die dem Stift St. Maria im Kapitol abgabepflichtig waren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zusammenkünfte im Lehnshof des Stiftes stattgefunden haben.
Fast 200 Jahre später erfahren wir wieder etwas über das Hofgericht in Dürscheid. Im Jahre
1550
schickte Herzog Karl Philipp eine Kommission durch sein Herzogtum Berg, um die Zahl und Art der vorhandenen Gerichte festzustellen. In dieser Erkundigung wird bestätigt, dass die Äbtissin von St. Maria im Kapitol zu Köln: „zu Durst ein Hofesgeding (gericht)"
besaß „darinnen gehörig ungefehrlich hondert Lehenleute“.
Genaueres darüber erfahren wir wieder 200 Jahre später dieses Mal aus den Protokollen des Lehnsgerichtes in Dürscheid von
1756, in denen alle Lehnsleute namentlich aufgeführt werden. Im Folgenden werden die Ortschaften genannt, aus denen die Hofesleute kamen, um ihr Recht bei einer Hofübergabe zu finden. Das sind: Dürscheid, Steinthor, Ober- und Untersteinbach, Armengut am Rodtland, Armengut zum Siefen, Dahl, Keller, Spitze, Dorpe, Bölinghoven, Blissenbach, Steeg – insgesamt 53 Höfe. Dazu kamen in Herkenrath 3, in Immekeppel 4, in Cürten 32, in Bechen 11, in Hohkeppel 23, in Wipperfeld 7 und in Lindlar 6 Höfe – zusammen 86, also insgesamt waren es 139 Höfe.
Das bedeutete, dass all diese Hofesleute sich nach Dürscheid begeben mussten, um im Erbfall ihre Anteile am Hof oder bei Unklarheiten ihr Recht zu bekommen. Die Aufgabe dieser Gerichte wird folgendermaßen beschrieben, dass sie „die Sicherung des Besitzes der zinspflichtigen Hofleute, die Verhütung von Beeinträchtigungen der Witwen, Kinder, Erben und Gläubiger, die Erhaltung des Hofwertes und Bewahrung desselben vor Zerstückelung und sinnloser Ausnutzung “ zu gewährleisten hatten.
Sie tagten an festen Terminen dreimal im Jahr, meist im Sommerhalbjahr und bestanden aus einem Vorsitzenden (Dinger), einem Fürsprecher (Verteidiger) und einem Lehnsboten. Die Urteile fällten die berufenen Scheffen (Schöffen). Diese mussten einen tadellosen Lebenswandel führen: „Fromb von nahmen und famen (Ruf) seyn, nit meyneidig , ehebrüchig, hurisch, diebisch, oder mit anderen unbilligen Untaten beladen und von ehrlichen Eltern erzogen“ sein.
Die Lehnsgerichte wurden bei der Säkularisierung durch Napoleon 1806 abgeschafft. Ihre Aufgabe für die Gesellschaft wird in der Folgezeit von Amtsgerichten und den neu eingerichteten Katasterämtern übernommen.
Der heutige Dürscheider Hof ist bis
1803
eng mit der Funktion dieses Lehnsgerichtes verbunden gewesen und spielte damit eine überregionale Rolle für die Gegend. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein Vorläuferbau mit dem ursprünglichen Lehnshof „Dursen“ identisch ist.
Ab
1605
ist bekannt, dass die Bewohner des Dürscheider Hofes als
Offermänner / Küster
tätig waren und der Hof als Gasthof diente. Die Nähe eines Wirtshauses zur Kirche ist in früheren Zeiten nicht ungewöhnlich. Wenn man an die weiten Wege zur Kirche denkt, meist zu Fuß, war die Möglichkeit in der Nähe der Kirche auch eine leibliche Stärkung zu finden sehr willkommen. Dieser Brauch geht sogar auf eine Kirchenverordnung aus dem 5. Jahrhundert zurück, in der es heißt: „Gleich bei der Kirche soll ein Hospiz sein, wo der Erzdiakon die Fremden empfängt. Er soll ständig im Gästehaus der Kirche erreichbar sein.“ -
eine christliche Idee, die sich in der Beherbergung der Pilger und Bedürftigen wiederfindet.
1605 wird erwähnt, dass Christian und Christine Offermann den Dürscheider Hof erneuert haben. Es ist nicht deutlich, ob sie einen alten Hof erneuert oder einen Hof neu erbaut haben. Aus der Jahreszahl 1626 in einem alten Balken im heutigen Gebäude ergibt sich, dass das heutige Gasthaus aus dieser Zeit stammt.
("Offermann": sammelte die Spenden/Opfer (heute Kollekte) der Gemeinde während des Gottesdienstes und war gleichzeitig für die Ordnung im Gotteshaus zuständig - wurde später "Küster" genannt)
1692
erfahren wir, dass Anton und Gerhard Offermann Land hinter dem Pastorat an die Kirche abgetreten und einen Betrag von 75 Talern zum Bau der Vikarie gespendet haben.
1711
nennt sich die Familie nicht mehr Offermann sondern Dürscheid.
1734
wird nach dem Tod von Ehepaar Anton Dürscheid und Katharina Breidenbach der Hof aufgeteilt. Das Haus wird „onder de fierscht“ (unter dem First in der Länge) geteilt. In der Teilungsurkunde werden noch Kuhstall, Pferdestall, Kammer, Keller, Scheuer und Schober, sowie der Pütz (Brunnen) beim Backhaus genannt.
1803
legt Anton Dürscheid sein Amt als letzter Vorsitzende des Lehnsgerichtes nieder und ist wieder er Eigentümer des gesamten Hofes. Seine Tochter Cäcilia Dürscheid (verheiratet seit 1815 mit Peter Büchel aus Oberlerbach) übernimmt den Hof und verpachtet ihn an Peter Richerzhagen. Mit der Säkularisation unter Napoleon ab 1806 begann die Zeit der freien Verfügbarkeit über den Grundbesitz der ehemaligen lehnsabhängigen Höfe.
1826
wird der Dürscheider Hof an den Ackerer und Gastwirt Georg Dahl und seiner Ehefrau Katharina Schmitz verkauft.
1869
geht der Dürscheider Hof in das Eigentum von Johann Klein und seiner Ehefrau Katharina Bilstein aus Junkermühle über. Er ist Landwirt und engagierter Gastwirt. Er richtet als erstes einen Tanzsaal im Obergeschoss ein und lädt zu Tanzmusik und Festlichkeiten ein. Er hatte die Zeichen der sich ändernden Zeit erkannt und wusste sie zu nutzen. Er ist der Urahn der heutigen Besitzer des
Dürscheider Hofes.
1984
der Dürscheider Hof steht ab nun unter Denkmalschutz,
Denkmal Nr.: 086
Pohl, Heinrich: St. Nikoaus Dürscheid 1966
Förster, Kunibert: Dürscheid an der Dursch - Ortsgeschichte kurz gefasst, in: Kürtener Schriften, Heft 5, Herausgeber.: Geschichtsverein für die Gemeinde Kürten und Umgebung e. V., Kürten, 2005.
Haasbach, August: Das Lehnsgericht des freiadeligen Kölner Damenstiftes
von St. Maria im Kapitol zu Dürscheid
in: Rheinisch Bergischer Kalender 1974-
Haasbach, August: Hofgericht, Küsterei und Gasthaus in Dürscheid
Manuskript, undatiert
Lauktien, Werner: Gasthaus zur Post in Biesfeld – neues Leben in altem Fachwerk
In: Kürtener Schriften, Heft 7 Herausgeber.: Geschichtsverein für die Gemeinde Kürten und Umgebung e. V., Kürten, 2009,
Gemeinde Kürten: Denkmalliste der Gemeinde Kürten,
Geschichtsverein für die Gemeinde Kürten und Umgebung e. V.: Von Wegekreuzen, Mühlen und Dolinen – Kulturhistorische Zeugnisse in der Gemeinde Kürten, Kürten 2009,
Fotos aus dem Bildarchiv von Norbert Grothoff www.norbertgrothoff.de